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Kreisauer Kreis

January 31, 2010

ULRICH VON HASSELL gehörte definitiv nicht zum KREISAUER KREIS. Die Kreisauer waren durchweg Zivilisten. Es waren überhaupt keine Berufsoffiziere in dieser Gruppe, und schon gar nicht hatten sie “hohe militärische Posten”. Es gab lediglich einige Reserveoffiziere, die nach Beginn des Krieges eingezogen worden waren (Peter Yorck, Hans Peters, Theodor Steltzer).

Es gab das legendäre Treffen im Januar 1943 zwischen den Konservativen und den Kreisauern. Darüber haben wir Berichte von Moltke (Briefe an Freya), von Hassell (Tagebuch) und Gerstemaier (Erinnerungen). An diesem Abend war nicht nur Harmonie, da flogen auch die Fetzen. Im Laufe des Jahres 1944 sind nach der Verhaftung Moltkes und unter dem wachsenden Handlungsdruck die Kontakte sicher enger geworden, was man daraus erkennen kann, dass am 20. Juli eine ganze Reihe der Kreisauer involviert waren (Yorck, Trott, von Haeften, Gerstenmaier, bis zur Verhaftung Anfang Juli auch Leber und Reichwein), andere sich bereit hielten, bestimmte Aufgaben zu übernehmen (Haubach, Steltzer u.a.).

Ich will gern glauben, dass sich von Hassell innerhalb der Goerdeler-Beck-Gruppe als derjenige gesehen hat, der am stärksten für eine Annäherung und ein Zusammengehen mit den Kreisauern plädiert hat und deshalb kompromissbereiter als andere war. Aber zum Kreisauer Kreis kann man ihn deshalb nicht zählen.

Die Kreisauer wurden nicht alle entdeckt, verurteilt und hingerichtet. Genauer gesagt: Durch Justizmord starben 8 von etwa 24, die man zur Gruppe zählen muss (Helmuth James von Moltke, Peter Yorck, Alfred Delp, Adam von Trott, Hans Bernd von Haeften, Julius Leber, Adolf Reichwein, Theo Haubach).

Carlo Mierendorff starb bei einem Bombenangriff im Dezember 1943. Theodor Steltzer hatte ein Todesurteil, das aber nicht vollstreckt wurde. (Er verdankt seine Rettung der Intervention skandinavischer Freunde, eine abenteurliche Geschichte für sich.) Lothar König versteckte sich vor der Gestapo in einem ungeheizten Keller und starb kurz nach dem Krieg an den gesundheitlichen Folgen. Auch Augustinus Rösch konnte sich verstecken, obwohl er steckbrieflich gesucht war. Horst von Einsiedel, dem die Gestapo nicht auf die Spur gekommen war, wurde im Herbst 1945 in der SBZ als “amerikanischer Spion” festgenommen und verschwand auf Nimmerwiedersehen im riesigen Reich des Gulag.

Andere (Hans Lukaschek, Paulus van Husen) wurden nach dem 20. Juli verhaftet und gefoltert, kamen aber erst im April 45 – in der letzten Sitzung des “Volksgerichtshofes” – vor Gericht und erhielten Zuchthausstrafen, was in der gegebenen Situation Lebensrettung bedeutete (die sowjetischen Truppen standen schon vor Berlin, Freisler lebte nicht mehr). Andere blieben gänzlich unbehelligt, manche wie durch ein Wunder (Harald Poelchau, Hans Peters, Heinrich Otto von der Gablentz).

Einige der Frauen kamen nach dem 20. Juli in “Sippenhaft” (Annedore Leber, Clarita von Trott, Marion Yorck, Barbara von Haeften).

— Ludwig Mehlhorn, Berlin

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